1.9.2018 Grand Canyon/ North Rim nach Flagstaff

Samstag 1.9.2018

Unser Wecker klingelt um sechs, nach Mountain Time . Ich bekomme mit, dass unsere Nachbarn mit dem Auto wegfahren, da kommt mir die Idee, zum Sonnenaufgang zum Angels Point zu gehen: dort wollen wir ja sowieso hin und der Canyon sieht bei Sonnenaufgang bestimmt besonders schön aus. Gesagt – getan, wir fahren die Meile zum Visitorcenter und wandern auf dem geteerten steilen Weg zum Bright Angels Point. Wir sind natürlich nicht allein, aber genau pünktlich – es ist wunderschön!

Zurück am Zelt das Übliche: Zelte abbauen, frühstücken, Auto packen. Heute war unsere letzte Nacht im Zelt, heute Abend geht es mit dem Zug nach L.A. weiter, also müssen wir ordentlich packen. Bevor wir den Grand Canyon verlassen wollen wir noch ein Stück auf dem Kaibab Trail in den Canyon hinein wandern. Am Parkplatz fragen wir eine Einheimische, wie spät es denn nun tatsächlich ist: sie schenkt uns eine Stunde, denn in ganz Arizona herrscht Pacific Time. Das heißt, wir sind um fünf aufgestanden statt um sechs – und jetzt ist es erst Viertel vor neun! Nach 20 Minuten haben wir die erste Meile geschafft und sind am Coconino Overview, unsere nächstes Ziel ist der Rastplatz „Tunnel“ in weiteren 1 Meilen. Das wären dann knapp 500 Höhenmeter: von 2.508 auf 2.045 Meter. Unterwegs begegnet inscrit „Volunteer Ranger“, dessen Aufgabe es ist, die Wanderer anzusprechen, ihre Pläne und ihre Ausrüstung zu erfragen, und ggf. vom Weiterlaufen abzuhalten, um Rettungseinsätze von vornherein zu vermeiden. Er redet uns ins Gewissen, weil wir nur einen Wasservorrat für alle haben und kein salziges Essen um den Mineralverlust auszugleichen. Er rät uns dringend ab, weiter als bis zum Tunnel zu laufen, aber das haben wir ja gar nicht vor. Unterwegs treffen wir einige zutrauliche Hörnchen und eine Menge Wanderer, einige sind vor drei Tagen am South Rim gestartet und ziemlich erschöpft. Wir können uns alle vorstellen, das auch einmal zu machen. Nach einer Stunde Gehzeit sind wir am Tunnel, machen eine kurze Pause. Hier werden die Mulis, die mit Besuchern auch auf diesem Trail unterwegs sind wohl zum ersten Mal angebunden. Obwohl jeder uns warnt, dass die Strecke bergauf doppelt so lange dauert, wie bergab, weil es so steil ist, sind wir nach einer weiteren Stunde wieder am Parkplatz.

Am Campingplatz können wir noch alle einmal duschen, nicht schlecht, nach drei Tagen mit annähernd 40 Grad. Als wir grade fertig zur Abfährt sind, geht ein heftiges Gewitter nieder: zum Glück sind wir nicht mehr auf dem Trail im Canyon! Kurzer Abstecher in den Souvenirladen und dann los. Um 12:34 Uhr verlassen wir den Grand Canyon. Per App erfahren wir, dass unser Zug voraussichtlich mehr als zwei Stunden Verspätung hat. Die Strecke nach Flagstaff ist aber auch 330 km weit.

Nachdem wir das grüne Hochtal gleich hinter Jacob Lake verlassen, erreichen wir im Sonnenschein die Vermillion Cliffs, sie sehen aus wie ein überirdischer Grand Canyon und ziehen sich über viele Kilometer links von uns, während sich rechts eine flache Ebene, die von einem tiefen Einschnitt durchtrennt wird, in dem der Colorado fließt. In der Ferne können wir das Gebirge sehen, durch das sich der Grand Canyon zieht: es sind Rauchwolken zu sehen.

Nach vielen Kilometern in nordöstlicher Richtung queren wir den Colorado auf der Navajo Bridge, nun geht es Richtung Süden. Das Land ist Indianerreservat, kleine Dörfer, einzelne Hütten, leerstehende Verkaufsstände für handgemachten Indianerschmuck, überall eingezäunte Pferde auf der kargen, roten Fläche. Die Gegend sieht ärmlich aus. Auch hier geht wieder ein heftiges Gewitter nieder, unser Auto wird vom Death-Valley-Staub befreit und wir sehen, wie in den überall vorhandenen, sonst ausgetrockneten, tief in den Wüstenboden geschnittenen Flussläufen richtig viel Wasser fließt.

Wir verlassen das Indianerreservat kurz vor den San Francisco Peaks, hohe Berge vulkanischen Ursprungs, die man schon vom Angels View aus hätte sehen können (über 3.000 Meter). Sofort wird die Landschaft freundlicher und grüner – gemein!

Wir fahren endlos auf der alten Route 66, vorbei an Motels, Tankstellen, Restaurants, immer entlang der Schienen, bis wir die „Altstadt“ von Flagstaff erreichen in der auch der Bahnhof liegt (kein Wegweiser). Auf der handgeschriebenen Tafel steht, dass unser Zug (#3) um 11:30 PM erwartet wird, drei Stunden Verspätung und es ist erst kurz vor fünf!

Wir zählen Loks (4) und Wagen (85) eines vorbeifahrenden Güterzuges.

Wir nehmen uns Beschreibungen für mehrere Stadtrundgänge mit, aber die Sehenswürdigkeiten bestehen aus Hotels, Autowerkstätte und Restaurants, die es nicht mehr gibt, aus der guten alten Zeit der historischen Route 66, die 1980 aus dem Verkehrswegeplan gestrichen wurde. Wir laufen ein bisschen ziellos durch die Stadt, es ist voll, viele Leute sind unterwegs, auf dem Marktplatz findet ein Konzert statt. Es gibt witzige Läden, in denen wir Zeit totschlagen. Interessanterweise sind die meisten Läden keine Souvenirläden, sondern bieten Bergsportausrüstung an, um Flagstaff scheint man gut Skifahren, Wandern, Klettern, Angeln und Wildwasserfahren zu können, man kann sogar Zelte und Rucksäcke ausleihen!

Wir fahren noch mal ein Stück zurück und gehen in „The Crown Railroad Café“ Abendessen. Ein sehr klassisches US Restaurant mit Eisenbahndekoration. Vom Fenster können wir die Güterzüge beobachten.

Gegen acht sind wir zurück am Bahnhof, wir packen unsere Rucksäcke, räumen das Auto auf und bringen das Gepäck in den Bahnhof, wo schon ziemlich viele Fahrgäste warten. Olaf und Annika bringen das Auto weg, die Mietwagenstation ist am Flughafen. Nach 30 Minuten sind sie zurück, alles geklappt. Wir sind seit Reno in einer Woche 1572 Meilen = 2515 km gefahren!

Inzwischen hat er Schalterbeamte seine Tafel auf „Estimated Arrival Time 11:50 PM“ geändert, noch drei Stunden. Er ändert die EAT nochmal auf 12:10 AM – und das stimmt dann zum Glück auch, die Wartezeit ging aber erstaunlich schnell vorbei, unter anderem lief im Wartebereich ein Fernseher, dessen Bild nur alle 20 Minuten, bei jedem durchfahrenden Güterzug verwackelt.

Endlich im Zug, letzter Wagen , Plätze 9, 10, 11, 12 und 15. Ein Gute-Nacht-Bier und – Gute Nacht!